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Teeweisheiten: Entspanntes Schreiben und Kreativität

Teeweisheiten 

„Ein entspannter Geist ist kreativ“, sagt der Yogi-Teemeister.

Tolle Idee, denke ich, also erst einmal entspannen, dann umso kreativer und effizienter schreiben.
Doch was ist eigentlich Entspannung?
„Ein Zustand körperlicher und geistiger Gelöstheit“, klärt mich das DTV-Lexikon auf.
Meine typische Schreibhaltung am Rechner ist leider alles andere als gelöst. Um ehrlich zu sein, lümmle ich ziemlich gebeugt über der Tastatur, habe das rückenschonende Sitzkeilkissen bereits nach einmaliger Anwendung vor Wochen in die Ecke gepfeffert und beschlossen, dass meine Wirbelsäule robust ist, dafür schreit der Schreibarm gerade wieder ziemlich laut „Aua“, weil ich aus alter Gewohnheit auf die Diktiersoftware verzichtet habe. Der Diktierdrache muss schließlich auch mal entspannen.
Geistig hänge ich in einer Szene fest, in der meine Hauptfigur eine wichtige Entscheidung treffen muss, die natürlich im Exposé schon feststeht, ich sollte sie also mal schubsen, dass sie auch in die gewünschte Richtung wandert. Sie ist aber genauso stur wie ich und wehrt sich ziemlich heftig, dummerweise mit stichhaltigen Einwänden. Das bringt mich selbst zum Zweifeln, um nicht zu sagen „Verzweifeln“ und das Exposé …, ach wer hält sich heute schon noch an Exposés?
Also erst einmal ab auf die Couch.

Da liege ich nun und warte auf die donnernden Hufe der entfesselten Pferde meiner Fantasie. Aber in der Ferne höre ich nur das müde Klappern der Spülmaschine, Himmel, wer hat die denn eingeräumt, das klingt, als würden die Tassen sich gerade in Polterabendporzellan verwandeln. Rasch springe ich auf und eile dem weißen Gold Augusts des Starken zur Hilfe. Gut, ich gebe zu kein Meißner Porzellan zu besitzen, aber ich habe ein paar heißgeliebte Lieblingskaffeetassen, darunter eine mit Snoopy aus meiner Abizeit. Wer mich kennt, weiß, dass das bereits mindestens so lange her ist wie die ersten alchimistischen Experimente mit weißem Porzellan. Aber ich atme auf. Ein Spaghettischöpfer ist nur nach unten gerutscht und blockiert den Spülarm.

Wenn ich jetzt schon mal hier bin, kann ich mir auch gleich einen Yogi-Tee machen. Mit dem entspannt es sich bestimmt viel besser und was dann an Kreativität über mich herfällt, wird nicht mehr zu bremsen sein. Ich wähle „Natürliche Abwehr“, den habe ich mir im Winter gekauft und er passt nicht wirklich zu den Sommertemperaturen, aber immerhin ist es Yogi-Tee und damit quasi ein Garant für maximale Entspannung.
Während ich nach der Teekanne greife, stolpere ich um ein Haar über Kira, meine Berner-Sennenhündin, die über die Fähigkeit des Apparierens verfügt, sobald sie mich in der Küche vermutet, denn es ist nicht das erste Mal, dass sie plötzlich hinter mir sitzt mit erwartungsvollem Blick und den Rücken kerzengerade durchgestreckt. Schließlich bekommt man nur ein Leckerli, wenn man „Sitz“ macht. Ich beschließe, sie zu ignorieren, denn es ist noch keine Fressi-Zeit. Während ich den Tee aufbrühe, wechselt sie ihre Taktik, schmeißt sich zu Boden und beginnt, meine Zehen in den Sandalen hingebungsvoll zu schlecken. Dabei fällt mir ein, dass „Streichle dein Haustier“ auch zu den Top-Ten der Entspannungstipps gehört. Und der Tee muss auch noch ziehen.
Ab in die Hocke und erst einmal ausgiebig geknuddelt. Dummerweise ist in der Fellwechselzeit „Streichle deinen Hund“ gleichbedeutend mit „bereite dich auf ein ausgiebiges Staubsaugen vor“.
Aber immerhin, eine gute Viertelstunde später liege ich vollkommen losgelöst wieder auf der Couch und verbrühe mir die Zunge mit dem heißen Tee. Durch die geöffneten Terrassenfenster dringt nicht nur frische Luft, sondern auch das Rattern des altersschwachen Rasenmähers unserer Nachbarn. Außerdem kratzt Kira an der Wohnzimmertür und beschwert sich, dass sie nicht mitentspannen darf. Von meinem Scheibtisch her höre ich gedämpft durch den Rasenmäher den Klingelton meines Handys.
Meine Stresshormone feiern eine Party in meinem Körper.
Ich schnappe mir die Teetasse und eile zurück an den Schreibtisch. Hier ist es so himmlisch kühl und ruhig. Auf dem Handy ist eine Sprachnachricht meiner Kinder, dass sie später von der Schule kommen. Kira schlüpft unter den Schreibtisch und legt zufrieden ihren warmen Kopf auf meine Füße. Ich starre auf den Bildschirm und plötzlich führen meine beiden Hauptfiguren einen faszinierenden Dialog in meinem Kopf, der unbedingt ins Manuskript einziehen sollte.
Recht hat er, der Yogi-Teemeister.
"Entspannung" beflügelt wirklich unsere Fantasie.

 

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