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Schönheit und Body Shaming

Bodyshaming

Verfolgt man die aktuellen Diskussionen zum Thema Body Shaming stellt sich für uns AutorInnen die Frage, wie wir mit der Darstellung von körperlicher Schönheit bei der Figurentwicklung umgehen.
Müssen wir uns überhaupt Gedanken darum machen? Wollen unsere LeserInnen nicht wie in den alten Märchen und Legenden unerreichbar schöne Menschen vorgesetzt bekommen, um dem Alltag zu entfliehen? Lassen sich Bücher mit vermeintlich „hässlichen“ Helden überhaupt verkaufen?
Einfach lassen sich diese Fragen sicher nicht beantworten. Ich habe mir im Folgenden ausschließlich Gedanken zur Darstellung der äußerlich sichtbaren Merkmale von Figuren insbesondere in Jugendbüchern gemacht, nicht jedoch über deren inneren Charakter. Darauf möchte ich in einem meiner nächsten Blogartikel eingehen.

Alle schön oder was?

Gerade in der Jugendliteratur findet man sie sehr häufig, die perfekt muskelgestählten Oberkörper der jungen Männer und die schlanken, wahlweise athletischen oder zierlichen Mädchen. Ähnlichkeiten mit der Bilderflut schöner Menschen, wie sie auf uns im Fernsehen, in Mode- und Fitnessmagazinen sowie den sozialen Medien einströmen sind nicht zufällig, sondern von den AutorInnen beabsichtigt. Schließlich zeichneten sich auch die Prinzen der Märchen nicht nur durch Wagemut, sondern auch Eleganz aus und ihre Prinzessinnen waren die „Schönsten im ganzen Land“. Man geht davon aus, dass LeserInnen unerreichbare Ideale vorgesetzt bekommen wollen, um der schnöden Realität zu entfliehen, zu träumen oder ihnen nachzueifern und an ihrer Selbstoptimierung zu feilen. 

Vielleicht hatte diese Form der Figurentwicklung früher durchaus Berechtigung, als nicht von allen Seiten durch Medien unzählige Bilder vermeintlich perfekter Menschen auf uns einströmten. Ich denke jedoch, dass die Zeiten sich durch die Massenmedien gewandelt haben. Wir sind übersättigt an „schönen“, optimierten Menschen. Es genügt nicht, „nur“ den inneren Charakter einer Person differenziert darzustellen und äußerlich der Bequemlichkeit halber eine hübsche Schablone zu präsentieren.
Was uns zum Nachdenken darüber bringt, was „Schönheit“ überhaupt ist.

Was ist überhaupt Schönheit?

Gängigerweise wird als „schön“ etwas bezeichnet, was wir anziehend empfinden, was einen angenehmen Eindruck auf uns hinterlässt.

Gibt es überhaupt „objektive“ Schönheit? 
Platon sieht die Harmonie und das Ebenmaß als Kriterien für objektive Schönheit. Jüngste Forschungen gehen davon aus, dass als schön empfunden wird, was evulotionär vorteilhaft ist, beispielsweise das Taille-Hüft-Verhältnis von Frauen. Körperliche Symmetrie gilt demnach ebenso als Zeichen von Gesundheit wie der Goldene Schnitt des Gesichtes. Ihm zufolge gelte ein vertikaler Abstand zwischen Augen und Mund von 36 % der Gesichtslänge und ein horizontaler Abstand zwischen den Augen von 46 % der Gesichtsbreite als schön. Doch ist es nicht auch individuell, was wir als schön wahrnehmen? 

„Schönheit liegt im Auge des Betrachters“, sagte schon Thukydides (455 – 396 v.Chr.).

Und Gustav Freytag (1816-1895) erklärte:„Wer ein Herz für die Schönheit hat, findet Schönheit überall.“

Gerade die Mannigfaltigkeit von Schönheit sollten wir abseits der Mainstream-Medien LeserInnen vermitteln, um keine Modemagazin-Abziehbilder aus unseren Figuren zu machen, sondern neue, interessante Persönlichkeiten zu entwickeln. 
In meinem aktuellen Dystopie Projekt vergleicht die männliche Figur die weibliche Hauptperson Luz mit der nach herkömmlichen Konventionen als „schön“ geltenden jungen Frau Erilia:
„Dabei war Luz keineswegs eine herausragende Schönheit wie Erilia, nach der so viele Männer die Hälse gereckt hatten. Luz war zu klein, ihr Teint zu blass, ihre Nase eine Spur zu spitz und wenn sie sich aufregte, bekam sie rote Flecken unter den hohen Wangenknochen. Aber all diese kleinen Unperfektheiten fügten sich überraschenderweise zu einem ausdrucksstarken Ganzen zusammen, so unverschämt anziehend wie ihre weichen Rundungen. Müsste er die beiden als Blumen porträtieren, wäre Erilia eine schlanke, hochgewachsene Lilie und Luz ein Feldstrauß wildgewachsener Frühlingsblumen, zwischen die sich einige stachelige Disteln mit lilablauen Blüten gemogelt hatten.“ (1)

Bodyshaming muss gerade für Jugendliche, die sich in einer Entwicklungsphase des ständigen Vergleichens befinden, eine hohe Gefahr sein. Schließlich findet man immer jemanden, der „schöner“ ist, als man selbst. Wir AutorInnen können darauf achten, in unseren Jugendromanen vielfältige Formen von Schönheit zu beschreiben, um mit gängigen Idealen zu brechen. Sind denn wirklich nur muskelgestählte Männer attraktiv? Wir können auch in Nebenpersonen wie dem umschwärmten Schauspieler andere Formen von Schönheit einfließen lassen: 
„Nick Reed war derzeit Kellys heimlicher Schwarm. Die digitalen Posterwände in ihrem Zimmer zeigten stündlich wechselnde Bilder des zwanzigjährigen Schauspielers. Zugegeben, er sah interessant aus mit seinem dunklen Haar, den melancholischen, braunen Augen und eben keinem Körper, der den Verdacht erweckte, sein Personal Trainer müsste täglich Überstunden schieben. Oder seine Mutter hätte unerlaubt ihre Gene manipuliert und den Fötus in Indien oder Pakistan designen lassen. Vielmehr war er schlaksig, und seine Attraktivität eher düster und geheimnisvoll. Er spielte in seinen Rollen das verschrobene Mathematikgenie, den genialen Nerd oder mittellosen Poeten.“ (1)

Ob differenziertere Darstellungen des Äußeren von Figuren einen Beitrag dazu leisten können, Bodyshaming entgegenzuwirken, kann ich nicht beurteilen.
Aber ich wünsche allen, die Schönheit in wilden Feldblumen sehen und sie anderen nahebringen wollen, viel Freude beim Schreiben.

(1) ©RenaFischer

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