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Was Frauen wirklich wollen ;)

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Auf meiner Englandreise habe ich das Canterbury Tales Museum besucht, eine farbenfrohe Attraktion, die einen mit kostümierten Erzählern und düsteren Requisiten in die Zeit des Spätmittelalters entführt, als der englische Dichter Geoffrey Chaucer (geb. 1340, gest. 1400) die „Canterbury Tales“ schrieb.
Die Erzählungen sind – wie in Chaucers Vorbild Decamerone von Boccaccio – in eine Rahmenhandlung eingebettet.



Chaucer beschreibt eine Gruppe von Pilgern, die von London nach Canterbury, zum Grab des Heiligen Thomas Becket, reist. Unterwegs gelangen sie an den Gasthof eines gewitzten Wirts, der ihnen vorschlägt, auf dem Hin- und Rückweg ihrer Reise je zwei Geschichten zu erzählen. Dem besten Erzähler erwartet als Preis eine Gratismahlzeit, die allerdings nicht der Wirt selbst, sondern alle Pilger zusammen spendieren müssen. Der Wirt sorgt somit dafür, dass sein Gasthaus die „Tabard Tavern“ durch die erzählerische Unterhaltung beliebt und gut besucht ist, ohne selbst dafür etwa ausgeben zu müssen.

DSC05940Was macht die Canterbury Tales heute noch so faszinierend?
Die einzelnen Erzähler der Geschichten liefern ein lebhaftes Portrait der Menschen verschiedenster spätmittelalterlicher Stände. Vom Adligen, Ritter oder Mönch bis hin zum Ablassprediger und der Frau aus Bath skizziert er auf humorvolle Weise ihre Eigenheiten im positven wie auch negativen Sinne.

Die Frau aus Bath

Besonders erstaunt war ich über die Erzählung der Frau aus Bath. In Charakter und äußerer Erscheinung entspricht sie keineswegs dem, was das mittelalterliche Frauenbild uns im Allgemeinen vorgaukelt. Sie ist eine resolute Frau, die genau weiß, was sie will. Sie spricht sich gegen die Kirche und für mehrere Ehen (nach dem Tod des früheren Ehepartners) aus. 
Unverblümt erklärt sie, ihr fünfter Ehemann habe mehr Geschichten über böse Frauen gewusst als in der Bibel über gute stehen würden und sagt, dass Kleriker nur über heilige Frauen gut sprechen würden.

Da nur männliche Literaten über Frauen schrieben, ließen sie an ihnen auch kein gutes Haar.
So selbstbewusst der lange Dialog vorneweg, so überraschend gestaltet sich auch die Geschichte, die Chaucer die Frau von Bath erzählen lässt:

Einem jungen Ritter droht die Todesstrafe, weil er ein Mädchen entehrt hat. Die Königin hat jedoch Mitleid mit ihm und bittet den König um Aufschub des Strafvollzuges um ein Jahr.
Findet der Ritter in dieser Zeit eine Antwort auf die Frage

„Was ist es, das zumeist ein Weib begehrt?“

wird ihm verziehen. Sonst muss er unweigerlich sterben.

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Der verzweifelte Ritter zieht von Ort zu Ort und erhält die unterschiedlichsten Antworten: Reichtum, Ehre, Freiheit, Schönheit, Schmeicheleien und viele andere Dinge werden genannt, aber nichts kann ihn überzeugen.
Schließlich begegnet ihm eine alte, hässliche Hexe. Sie verspricht, die Lösung des Rätsels zu nennen, wenn er ihr schwöre, sie zu heiraten. Um sein Leben zu behalten, willigt er zähneknirschend ein und erhält folgende Antwort:

„Zu herrschen ist des Weibes Hauptbegehren!
Die Gatten und Geliebten zu regieren
Und über sie das Regiment zu führen …“


Keine Frau bei Hof leugnet seine Aussage, als er sie vorträgt, und so wird er freigesprochen.

Als es ihn jedoch in der Hochzeitsnacht vor der alten Hexe graut, stellt sie ihn vor eine neue Wahl:
Entweder sie bleibt in ihrer bisherigen Gestalt und ist ihm ihr Leben lang treu und hält zu ihm oder sie erscheint ihm als junge, hübsche Frau, die ihn allerdings künftig betrügen wird.
Unschlüssig, was hier die bessere Wahl wäre, erklärt der Ritter:


»Verehrte Dame, vielgeliebte Braut!
Ich will mich Deiner weisen Leitung fügen!
Entscheide selber, was zumeist Vergnügen
Und was am ehrenvollsten für uns sei?
Dies oder das, mir gilt es einerlei,
Was Dir gefällt, ist auch nach meinem Sinn!«
Worauf sie sprach:
»Dann küsse mich« – rief sie – »wir sind vereint!
Ich will Dir Beides sein! und das bemeint:
Sowohl ein schönes, wie ein gutes Weib!“


Interessant ist hierbei der romantische, märchenhafte Charakter der Erzählung, die nicht damit endet, dass einer der beiden - hier also die Frau - die Oberhand über ihren Ehepartner behält. Sie wünscht sich letztlich ein gleichberechtigtes glückliches Zusammenleben und gibt ihrem Mann am Ende die „Macht“ in einer harmonisch geführten Ehe wieder zurück.

Die Frau von Bath wirkt in der gesamten Erzählung überhaupt nicht so, wie man sich eine Frau des Mittelalters vorstellt. Sie spricht offen über ihre Wünsche und Ziele, über ihre Sexualität und ihre fünf Ehemänner. Ihre Ansichten sind vielfach modern, auf jeden Fall ihrer Zeit weit voraus. Chaucer beschreibt sie äußerst detailliert und ihr Prolog ist länger als derjenige anderer Pilger.

Berühmt wurden die Canterbury Tales auch durch die Tatsache, dass sie nicht – wie damals üblich – auf Latein, Französisch oder Anglonormannisch geschrieben wurden, sondern auf Mittelenglisch, der damaligen Volkssprache, und somit einem breiteren Kreis von Lesern zugänglich gemacht werden konnten. Neben der Erzählung der Frau aus Bath gibt es noch weitere amüsante Geschichten und schließlich gruselige Details zur Ermordung von Thomas Becket.

Solltet ihr einmal nach Canterbury kommen, kann ich euch daher den Besuch des Museums nur empfehlen :)

 

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