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Halloween-Special Chosen - Die Bestimmte

Halloween

Halloween ist in unserer Familie etwas ganz Besonderes. Zusammen mit meinen Kindern dekoriere ich schon eine Woche vorher die Wohnung, sie laden Freunde ein, schnitzen zusammen Kürbisse und gehen dann verkleidet durch unser Wohnviertel. Natürlich habe auch ich eine Menge Süßigkeiten bereit, falls bei uns jemand klingelt. Nach dem "schaurigen" Abendessen, sehen sie sich einen gruseligen Film an und genießen ihre Übernachtungsparty.

Die bekannten Bräuche zu Halloween, "All Hallows Eve" (der Abend vor Allerheiligen), entstanden in Irland und sind auf alte keltische Traditionen des Samhainfestes zurückzuführen. Man sah den Vorabend zum 1. November als Beginn des neuen keltischen Jahres und ging davon aus, dass die Menschen an diesem Tag Zugang zur Anderswelt hatten.

In dieser anderen Welt sollten mystische Wesen - beispielsweise die Elfen - und mythische Personen leben, man glaubte auch, Zugang zu Verstorbenen zu haben, weswegen lange Zeit "Samhain" für einen keltischen Totengott gehalten wurde, was jedoch inzwischen als widerlegt gilt.

Der Brauch, in Kürbisse gruselige Fratzen zu schnitzen und diese zu beleuchten, hat Bezüge zum Grablicht an Allerseelen und geht auf die berühmte irische Sage von Jack O'Lantern zurück. 

Chosen - Die Bestimmte spielt ebenfalls zu großen Teilen in Irland. 
Klar, dass ich unbedingt eine Halloween-Szene einbauen wollte. Zur Feier von Halloween schenke ich euch ein Snippet daraus:

„Schande!«, flüstert Liz mir zu, als das Schulgebäude vor uns auftaucht. Gelborange leuchtende Kürbisse mit grusligen Fratzen säumen die Einfahrt. Über dem wuchtigen Eingangstor sind Spinnweben gespannt, in denen Fledermäuse hängen. Mehrere Nebelmaschinen sind im Einsatz und lassen die ankommenden Gäste wie Gespensterschemen aussehen. Aus Lautsprechern schallt Ghost Riders in the Sky.

»Ich hoffe, du weißt, was du tust, Aidan«, sagt Lynn schnippisch. Seit wir sie abgeholt haben, ist die Stimmung im Auto frostiger als in einem Kühlschrank. Natürlich sieht sie fantastisch aus in ihrem feuerroten Kleid mit tiefem Rüschenausschnitt. Die perfekte Kopie von Draculas Mina. Wäre da nicht der wütende, verkniffene Zug um ihren Mund, könnte sie tatsächlich hübscher sein als Liz.
Als wir aussteigen, beugt sich Aidan zu ihr. Die Autofahrt über hat er sich schweigend ihre Vorwürfe angehört. Jetzt sieht er so grimmig aus, dass man wirklich meinen könnte, er würde gleich seine Zähne in ihren zarten Hals schlagen.
»Wenn du Emz verpfeifst, ist es mit uns aus.« Ohne Liz und mich eines Blickes zu würdigen, packt er sie am Arm und zerrt sie an ein paar lachenden Skeletten vorbei zum Tor.
Der Nebel hat sie bereits verschluckt, da höre ich Liz spotten: »Mach den Mund wieder zu, Emz.«
Ich schüttele ungläubig den Kopf. »Na dann, auf in den Kampf.«
»Den hast du doch schon gewonnen«, lacht sie.
Verwirrt schaue ich sie an. Liz rollt mit den Augen, während wir über den Kies zum Tor gehen. Ein Junge mit einer Axt im Kopf und blutüberströmtem Gesicht kreuzt röchelnd unseren Weg und ich zucke zusammen. Bilder von Nicholas Sheen geistern durch meine Gedanken.
»Jetzt guck nicht so! Er droht ihr, um dich zu schützen, und will nicht, dass du einen gewissen Dean küsst. Was meinst du wohl, was das zu bedeuten hat? Wer ist dieser Dean überhaupt?«
»Das bin ich.«
Ich fahre heftig zusammen. Keiner von uns hat bemerkt, wie er sich von der Seite herangeschlichen hat.
»Willkommen bei SENSUS CORVI. Aidan hat mir gerade von dir erzählt, Liz.«
»Wow! Tolles Kostüm!«, entfährt es ihr, während sie Dean einen interessierten Blick zuwirft.
Er sieht wirklich beeindruckend aus in seiner schwarzen Zaubererkluft mit langem Umhang und hohen Lederstiefeln. Bestimmt hat Faye ihm verraten, dass ich als Hexe gehe. An seinem rechten Ringfinger glänzt ein silberner Ring mit Totenkopf. Als er sich vorbeugt und Liz die Hand küsst, fällt sein aufgeknöpftes schwarzes Hemd zur Seite und gibt den Blick auf eine trainierte Brust mit dunkler Tätowierung frei. Mein Magen zieht sich zusammen, als ich erkenne, was sie darstellt: einen Horusfalken, der mit einem Dolch durchbohrt wird. Die Brust kommt näher und ich kann meinen Blick nicht davon abwenden. Erst als sich zwei Hände besitzergreifend um meine Taille legen, schaue ich auf. »Gefällt sie dir?«
Nein. Sie ist scheußlich. Aber ich nicke stumm und seine Zähne blitzen weiß im Mondlicht.
»Dachte ich mir«, sagt er selbstgefällig. Mit seinen zurückgegelten Haaren erinnert er mich irgendwie an eine dunkle Ausgabe von Lucius Malfoy. Ich beginne zu frösteln.
»Du siehst absolut heiß aus, Emma.« Schmunzelnd zieht er sich den Umhang herunter und legt ihn um meine Schultern. Er fühlt sich so kalt an, als wäre der Stoff aus Eiskristallen gewebt. Am liebsten würde ich ihn von mir reißen. »Auch wenn du eher zu frieren scheinst. Lasst uns reingehen, bevor die Show losgeht.«
Alles an diesem Abend ist vollkommen.
Farran hat sich Halloween einiges kosten lassen. Der aufwendig mit Kürbissen, Spinnennetzen, dunklen Stoffen und Leuchtgirlanden geschmückte Saal entlockt Liz einen verzückten Aufschrei. Ich lächle schwach.
„Unter vielfachem Beifall treten bei der Show Tänzer, Akrobaten und Zauberkünstler auf, aber meine Blicke wandern gelangweilt durch den Raum. In Eichenholzsärgen wird ein Buffet serviert, das nichts zu wünschen übrig lässt, doch ich habe keinen Appetit.
Liz taucht im Gewühl der Tänzer unter und wird von einigen Zuschauern umringt, die ihren verrückten Liz-Girl-Style nachahmen wollen. Ich sehe ihr nach und wünschte, ich könnte ebenso ausgelassen mit ihr tanzen. Aber ich schaffe es nicht. Schon allein deswegen nicht, weil Dean unterdessen mit mir über das Parkett schwebt, als wäre er in einer argentinischen Tanzschule aufgewachsen. Ich fühle seine Hand auf meiner Taille, passe mich mechanisch den geschmeidigen Bewegungen seines warmen Körpers an und wünsche mir sehnlichst, er würde mir endlich auf die Füße treten, damit ich das hier beenden kann.
Schließlich bitte ich ihn, mir ein Glas Bowle zu holen und nutze die Gelegenheit, um zu entwischen.
Die Tür zum Park fällt hinter mir zu und ich glaube, in einen kalten See zu tauchen. Gott, ist das eisig! Weg ist die dumpfe, trübe Wolke, die mich im Saal eingehüllt hat. Die Kälte lässt mich wieder klarer denken.
Zwischen den Hecken und auf Parkbänken nehme ich die Gestalten händchenhaltender oder küssender Pärchen wahr.
Liz ist da. Und ich fühle mich schuldig. So verdammt schuldig, weil ich glücklich darüber bin, dass meine beste Freundin wieder bei mir ist – dass ich es nicht schaffe, ein guter Rabe zu sein und Aidan wieder einmal Schwierigkeiten gemacht habe. Er hat sie nicht verraten, sondern sogar mit ihr getanzt. Mit ihr und Lynn und vielleicht sechs weiteren Mädchen.
Nur nicht mit mir. Verdammt!
Mittlerweile habe ich das Gebäude umrundet und den Parkplatz erreicht. Ich blinzele gegen die Tränen. Etwas drückt schmerzhaft gegen meinen Hals und ich versuche es hinunterzuschlucken, aber es kommt wieder und ich setze mich auf eine Steinmauer zwischen zwei beleuchtete Tonkürbisse. Ihre Fratzen lachen mir höhnisch entgegen.
Five Little Pumpkins Sitting on a Gate … Jetzt muss ich auch noch an Mama denken. Daran, wie sie mir als kleines Kind englische Halloween-Lieder vorgesungen hat. Und an Hannah, die für mich ein Kürbiskostüm mit orangefarbenen Pailletten auf ihrer alten, ratternden Nähmaschine zauberte. Meine Zähne schlagen vor Kälte aneinander und geben ein klackerndes Geräusch von sich. Die Tränen lassen sich einfach nicht mehr aufhalten. Ich schlinge die Arme um mich und ziehe die Knie an. Sehr viel wärmer wird mir dadurch nicht.
Wenn doch die Feier schon vorbei wäre! Ich knabbere an meiner Unterlippe und beiße viel zu fest zu, als ich plötzlich eine dunkle Stimme nah an meinem Ohr raunen höre: »Hat Dean dich endlich aus seinen Fängen gelassen?“

© Rena Fischer „Chosen – Die Bestimmte“

 

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