Große Gefühle ohne Kitsch

Große Gefühle ohne Kitsch – wie gelungene Liebesromane funktionieren

Interview für die Schule des Schreibens

Die Autorin Daniela Nagel hat mich für das Autorenmagazin „treffpunkt“ der Schule des Schreibens interviewt. Herausgekommen ist eine spannende Diskussion über die Bedeutung des Genres Liebesromans, warum es so gerne in die Kitsch-Ecke gedrängt wird und  was DELIA, die Vereinigung deutschsprachiger Liebesromanautorinnen und -autoren tut, um die gesellschaftliche Bedeutung des Liebesromans ins richtige Licht zu rücken.

Warum ist dieses Thema gerade jetzt wichtig? 

Romance‑Titel sind aktuell das Genre mit dem höchsten Wachstum in der Belletristik. Das allein sollte für sich sprechen, doch leider kommt es selbst heute noch häufig zu Abwertungen, allein weil es sich um eine von Frauen dominierte Schreib‑ und Lesekultur handelt. In der Kritik wird Romance daher oft am schlechtesten Beispiel gemessen, während Thriller, in denen männliche Autoren dominieren, am besten Beispiel in den Medien besprochen werden.

Vielfalt des Liebesroman-Genres

Die Genrevielfalt des Liebesromans allein widerlegt bereits den Kitschvorwurf, denn die Bandbreite reicht von zeitgenössisch bis historisch, von Sports‑Romance bis Romantasy. Und in jedem Genre gibt es Negativbeispiele wie auch Perlen.

Das häufig zitierte “Happy End” ist dabei meines Erachtens kein Kitschautomatismus, sondern ein konstitutives Genreelement: Es bündelt den genretypischen Wunsch nach Bindung, Konsens und Verlässlichkeit ebenso, wie der Thriller sein Sicherheits‑/Gerechtigkeitsversprechen durch die Neutralisierung der Bedrohung einlöst.

Gesellschaftliche Funktion des Liebesromans

Wer den Liebesroman abwertet, ignoriert damit nicht nur seine literarische, sondern auch seine gesellschaftliche Funktion: Denn gute Liebesromane behandeln Hoffnung, Care- und Beziehungsarbeit ebenso ernsthaft, wie gute Thriller Risiko, Schuld und Wiederherstellung der Ordnung. Unterschiedliche Genre und Themen, aber gleicher literarischer Anspruch – nur eben mit einem anderem Fokus.

Interview mit Daniela Nagel

Liebe Rena, 
als Präsidentin von DELIA, dem Verein zur Förderung deutschprachiger Liebesromane, setzt du dich bestimmt auch mit einigen Vorurteilen auseinander. Was würdest du entgegnen, wenn jemand sagt, Liebesromane seien gesellschaftlich irrelevant?

Das Gegenteil ist der Fall. Sie machen einen Mangel in unserer Welt sichtbar, den wir hinter all den Konflikten und tiefgreifenden Umbrüchen in unserer Gesellschaft spüren und über den wir viel zu wenig sprechen: die Liebe.

Wir fürchten um die Demokratie, fühlen uns von Künstlicher Intelligenz und Klimawandel bedroht und fliehen vor unseren Ängsten in Zynismus, Selbstoptimierung und Konsum. Die Literaturwissenschaftlerin Bell Hooks hat das so auf den Punkt gebracht: „We may not have enough love but we can always shop.“

Der Liebesroman rückt dagegen Liebe, Vertrauen, Fürsorge und Verantwortung für unser Tun ins Zentrum. Er erinnert uns daran, dass es Menschlichkeit und Alternativen zu rücksichtslosem Wettbewerb und Selbstoptimierung gibt.

Wie stehst du denn zu dem Vorurteil, Liebesromane seien kitschig und weltfremd?

Ist es nicht eher weltfremd, wenn wir in Filmen, Serien und beim Gaming Gewaltbildern ausgesetzt werden, in denen Menschen zu anonymen Zielscheiben werden? Wenn Held X sich rücksichtslos gegen seine Widersacher durchsetzt oder Gewalt gegen Frauen in Subgenres mit problematischem Machtgefälle romantisiert wird? Viele heutige Erfolgs-Narrative funktionieren durch eine Ethik der Dominanz und auf der anderen Seite regieren in den sozialen Medien Filter statt Falten, ist Posieren vor der Kamera statt Persönlichkeit zeigen angesagt. Diese Bilder sind doch die eigentliche Unwahrheit in unserer Gesellschaft.

Der Liebesroman kann uns lehren, wieder echte Gefühle zuzulassen

Ein guter Liebesroman dekonstruiert diese Bilder, weil er zeigt, dass Liebe und eine gute Beziehung zu unserem Partner und Mitmenschen reflektiertes Handeln, Arbeit, Scheitern, aber auch Neuanfang bedeuten. Reparieren statt Wegwerfen. Wahrheit statt Lüge und Schein. Wer liebt, muss sich nicht hinter Filtern verstecken. Der Liebesroman kann uns lehren, wieder echte Gefühle zuzulassen, auch auf die Gefahr hin, verletzt zu werden. Er feiert Partnerschaft statt Dominanz, Zuhören statt Überzeugen, er ist literarische Seelennahrung im Junk-Food-Zeitalter von Zynismus und Empathiemangel.

Was macht einen Roman zu einem Liebesroman? Eine Beziehungsgeschichte, die im Mittelpunkt steht? Oder reicht jede Form von Liebe?

Ein Roman ist für mich dann ein Liebesroman, wenn Liebe die entscheidende Kraft für die dramatischen Entscheidungen ist und damit den Plot vorantreibt. Das bedeutet aber nicht, dass es sich dabei ausschließlich um die „romantische Liebe“ handeln muss. Ein zeitgemäßer Liebesroman beschränkt sich nicht nur auf ein klassisches Liebespaar, sondern zeigt Liebe in verschiedenen Facetten und ganze Beziehungsnetzwerke. Enge Bindungen zu Familie und Freunden, selbstgewählte Familien und auch Selbstliebe und -fürsorge. Figuren werden verletzt, verhandeln Grenzen und finden eine neue Art des Miteinanders. Der moderne Liebesroman ist für mich eine Geschichte, die der Frage nachgeht, wie wir einander in all diesen vielfältigen Beziehungen liebevoll und respektvoll begegnen können.

Warum wurde DELIA gegründet?

Unser Ziel ist es, uns für unser Genre stark zu machen, die gesellschaftliche Bedeutung des Liebesromans hervorzuheben und unseren schreibenden Mitgliedern den Rücken zu stärken, wenn sie Vorwürfen von Kitsch oder angeblicher Bedeutungslosigkeit ihrer Arbeit ausgesetzt werden. Denn der Liebesroman ist weltweit das umsatzstärkste Belletristik-Genre, er ist kein weltfremder Eskapismus, sondern erinnert uns daran, dass gute Beziehungen das Fundament einer Gesellschaft und der Demokratie ausmachen. Wir haben einen eigenen Stand auf der Leipziger Buchmesse und auf verschiedenen regionalen Buchmessen und vergeben einmal im Jahr die renommierten DELIA-Literaturpreise – Gütesiegel für anspruchsvolle Liebesroman- und Unterhaltungsliteratur für Erwachsene und junge Leserinnen und Leser.

Vielen Dank für den inspirierenden Einblick in das, was Liebesromane und -geschichten wirklich ausmacht. Und danke dir und allen im Vorstand für eure tolle Arbeit. DELIA ist auch für mich als Autorin ein großer Gewinn, am allermeisten durch den wertschätzenden Austausch. 

Ich danke dir für das schöne Interview!

Diesen Artikel auf Danielas lesenswerten Blog mit vielen weiteren wunderbaren Interviews und Themen rund um das Lesen, Schreiben, Kreativität, Psychologie und ein Leben, das einen erfüllt und glücklich macht, findet ihr hier:

(https://danielanagel-marieadams.de/liebesromane-leichte-kost-oder-das-wichtigste-genre-der-welt/)

Das Interview ist zuerst hier erschienen: Schule des Scheibens: Autorenmagazin treffpunkt 02 2025

 

Die Autorenvereinigung DELIA:

Im Mai des Jahres 2003 gründeten zwölf Autorinnen die Vereinigung deutschsprachiger Liebesroman-Autoren und -Autorinnen, kurz DELIA. Heute zählt der Verband bereits rund 300 Mitglieder aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, aber auch aus Italien, den USA und vielen weiteren Ländern. Mit einem Gesamtauflagen-Volumen von vielen Millionen verkauften Büchern hat sich der Verein nicht nur eine bedeutende Stimme auf dem deutschsprachigen Buchmarkt verschafft, sondern ist über Lizenzen auch weltweit vertreten. Eine Erfolgsgeschichte mit einem Happy End, wie es von einem guten Liebesroman erwartet wird.
 

So könnt ihr als Autorin oder Autor Mitglied bei DELIA werden:
Um Mitglied bei DELIA zu werden, sollten Autorinnen und Autoren mindestens eine bereits erschienene Veröffentlichung in einem Verlag (kein Zuschussverlag) oder drei Veröffentlichungen im Selfpublishing vorweisen können, die zu DELIA passen. Außerdem gibt es die Möglichkeit der Fördermitgliedschaft, die Sie bereits eingehen können, bevor Ihr erster Liebesroman erscheint, oder wenn Sie unser Genre und unsere Arbeit unterstützen möchten, weil Sie selbst gerne Liebesromane lesen.

Genaueres zu den Anforderungen und Anmeldeunterlagen gibt es auf der Website www.delia-online.de.

 

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