
Was macht meine Schreibweise besonders?
Alleinstellungsmerkmal ist das Thema heute am Autorensonntag auf Instagram und das bringt mich ganz schön ins Schwitzen. Zum einen, weil die Frage gar nicht so leicht zu beantworten ist. Zum anderen, weil ihr der Nimbus „Ich bin einzigartig“ anhaftet.
Von „Ich bin jemand, der schreibt“ bis hin zu „Man muss mich gelesen haben“ kursieren die wildesten Aussagen über das Schreiben in der Buchwelt.
Norman Mailer soll behauptet haben:
„Jeder, der eine eigene Bibliothek hat und eine gute Sammlung von Büchern, will als Schriftsteller in die Geschichte eingehen. Es ist jedem Schriftsteller gemein, dass er glaubt, er sei einzigartig, dass er es geschafft‘ habe.“
Stimmt das?
Mein Sohn hat mir eine Tasse zum Muttertag geschenkt. „Do not disturb. I’m writing someone’s next favorite book“, hat er als Spruch darauf gemalt.
Ich glaube, das trifft ganz gut, wie ich zu diesem Thema stehe. Es freut mich, wenn ich von Menschen gesagt bekomme, dass sie mein Buch geliebt haben. Aber ich halte mich deshalb bestimmt nicht für eine Autorin, die irgendwann in die Geschichte eingehen wird. Es gibt ein paar Dinge, dich ich von Lesenden immer wieder gesagt bekomme, worin sie das Besondere in meinen Büchern sehen, wie ein komplexer, vielschichtiger Weltenbau, Spannung und unerwartete Wendepunkte, Figuren, die man nicht so schnell wieder vergisst, etc.
Das gibt es aber bei anderen Autorinnen und Autoren auch. Ich glaube, das Alleinstellungsmerkmal ist daher weniger am Handwerkszeug festzumachen, das viele Schreibende ausgezeichnet beherrschen, sondern an den Gefühlen, die mit der Geschichte transportiert werden, ob man beim Lesen mitleidet, ein aufgeworfenes Bild einen berührt oder man es eher lächerlich findet. Und das empfindet jeder vollkommen anders, Geschmäcker sind so unterschiedlich wie die Mannigfaltigkeit angebotener Literatur.
Für mich gibt es daher nicht das Erkennungsmerkmal, die „Marke“, die mich als Schriftstellerin ausmacht. Wie soll das auch möglich sein? Denn ich entwickle mich mit jedem Buch weiter. Kreativität ist kein unveränderliches Produkt, sie ist ein Prozess. Das sieht man optisch am besten bei Künstlern wie z.B. Picasso. Und beim geschriebenen Wort ist das nicht anders. Wir entwickeln uns weiter und manchmal folgen unsere Leserinnen und Leser dieser Entwicklung, manchmal lehnen sie sie ab und dafür gewinnen wir eine neue Leserschaft dazu. Sich als „Marke“ zu etablieren, bedeutet für mich einen Stillstand im kreativen Prozess, eine Beschränkung, die ich mir in meinem Kopf setzen würde.
„Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können“, sagt Nietzsche. Und vielleicht liegt in diesem lebendig pulsierendem Chaos unser Alleinstellungsmerkmal, das, was unsere Texte einzigartig und nicht austauschbar macht, das, was uns ganz besondere Bilder aufwerfen lässt, die unter die Haut gehen.