Von Rena Fischer auf Sonntag, 18. März 2018
Kategorie: Meet&Greet

Leipziger Buchmesse 2018 - Vom Chaos und den Dämonen

Erst vor ein paar Tagen habe ich hier über das Thema Perfektion gebloggt. Darüber, alles durchorganisieren und planen zu wollen, und warum diese Einstellung oft zu Enttäuschungen führen und die Sicht auf andere großartige Dinge verbauen kann. 
Meine Reise zur LBM 18 stellte mich dieses Jahr vor eben diese Herausforderung, weil sie in ihrem unerwarteten Chaos Schönheiten offenbarte, die ich um nichts in der Welt missen möchte. 

Das begann mit den Vorbereitungen. Wer von euch hat sich ebenfalls durch das winzig kleine Veranstaltungsprogramm der Buchmesse gekämpft, bei den Überschneidungen der Angebote wehmütig an die Studienzeit und das Vorlesungsjonglieren zurückgedacht oder sich Hermines Zeitumkehrer gewünscht, um mehrere zeitgleiche Events besuchen zu können?
Stolz betrachtet man nach Stunden des Abwägens die auf drei Seiten abgespeckte Liste der Essenz literarischen Vergnügens und macht sich ans Packen.

Hier konnte ich auf die leidvolle Erfahrung aus früheren Buchmessen zurückgreifen und nenne euch nur ein paar Dinge, die ihr künftig unbedingt in den Rucksack packen solltet:
Powerbank für's Handy, Schoko- oder Müsliriegel, Wasser, Baumwolltaschen mit bequemen Schultergurt zum Schleppen von Büchern und/oder Infomaterial
Es soll tatsächlich Leute geben, die enthaltsam bleiben, die Cover abfotografieren und hinterher die Bücher im Buchhandel kaufen. Das erspart ihnen natürlich die Schlepperei.
Ich gehöre bedauerlicherweise nicht dazu.

Um 13:00 Uhr wollte ich mich mit einigen lieben Buchmenschen im Restaurant Petershof treffen. Google Maps gab die Fahrtzeit von München zur Buchmesse mit 3 Stunden 58 Minuten an. Wir - meine Tochter und ich - fuhren um kurz nach sechs los und rechneten folglich mit einer Ankunftszeit um 10:15 Uhr. Schnee- und Straßenchaos machten uns gehörig einen Strich durch die Rechnung. 

Doch auch auf der Landstraße ging es nicht viel schneller voran als im Stau auf der Autobahn. Schneeräumdienste kamen mit dem Räumen nicht mehr hinterher, die Fahrt über Land war eine einzige Schlitterpartie. Ich bereute es sehr, nicht mit der Bahn gefahren zu sein.

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass der Hauptbahnhof in Leipzig aufgrund von Schnee, Matsch und Glatteis gesperrt worden war.

Als wir um 12:15 Uhr endlich 4km (!) vor der Messe waren und ich bereits innerlich aufatmete, gerieten wir erneut in einen Stau, der über 50 Minuten dauerte! Meine Tochter übernahm den Job, alle, die mich um 13 Uhr treffen wollten, über Social Media zu informieren.

 Gegen 13:35 traf ich endlich im Restaurant Petershof ein. 

Ich möchte mich noch einmal von Herzen bei euch für meine Verspätung  entschuldigen! 

Euch allen, die ihr trotzdem beharrlich auf mich gewartet oder mich hinterher auf der Buchmesse bei Thienemann-Esslinger oder der Phantastikbuchhandlung gesucht und getroffen habt, sage ich vielen Dank für eure Geduld, ihr seid einfach wunderbar.

Nachdem nun bereits alles drunter und drüber gegangen war, suchten wir uns eine Handvoll Highlights heraus, die wir unbedingt erleben wollten. Ich habe einige liebe Autorenkolleg*innen, Blogger*innen und Leser*innen getroffen, wir bestaunten die phantasievollen Kostüme der Cosplayer in der Glashalle und bei der Siegerehrung in Halle 1 und ließen uns ansonsten einfach von Halle zu Halle treiben.

Soll ich euch was sagen: Das war besser als jedes Hetzen von Event zu Event! 

 In der Glashalle und den Verbindungsgängen summte das Stimmengewirr wie in einem Bienenstock und der honigsüße Duft von Crepes mischte sich mit dem herben Aroma von Kaffee. Es herrschte durch die Pflanzen und die hohe Luftfeuchtigkeit eine Atmosphäre wie in einem tropischen Garten. Schmelzwasser tropfte vereinzelt vom Glasdach, während Eiszapfen an der Außenseite der Glasgänge den Wintereinbruch in Erinnerung riefen.

Die Cosplayer flanierten in ihren bunten Kostümen durch die Menge und vermittelten den Eindruck in einer Fantasy- oder Science-Fiction Welt gelandet zu sein. Das beste Motto fand ich in Halle 1:

Aufgrund des Andrangs sperrten die Einweiser teilweise die kürzesten Zugänge zu den Hallen und sorgten für die Fitness von uns Lese-Couch-Potatoes. War das nicht nett?  

Nachdem wir versehentlich beim falschen Ausgang die Messe verließen (wir hatten auf der gegenüberliegenden Seite geparkt), konnten wir unverhofft die Abendstimmung am See genießen. Der kürzeste Weg zum Auto ist eben nicht immer der Beste. Seid ihr schon einmal in die Mitte des Sees spaziert? Der Anblick ist wunderschön! 

Als wir den Parkplatz verließen, sahen wir schon wieder den Stau Richtung Autobahn und beschlossen daher, uns erst einmal beim Chinesen zu stärken. "Glücksboot" klang gut, nachdem wir schon eine Menge Pech heute hatten. Die Atmosphäre war toll, es waren viele Buchmessebesucher und Cosplayer anwesend und diesmal - so dachten wir - war wirklich alles "perfekt".

Dann ging der Feueralarm los.

Durchdringende Sirene im gesamten Lokal. Was denkt ihr, wie reagierten die Gäste? 
Nein, sie sprangen nicht panisch vom Tisch, um ihr Leben zu retten. Schließlich war das Buffet wirklich lecker, der Schokobrunnen sprudelte noch verheißungsvoll und weit und breit war kein Rauch zu sehen. Die Kellner sprangen aufgeregt in die Küche, der Restaurantleiter lief hektisch vor der Life-Cooking-Station auf und ab und telefonierte. Meine Tochter beäugte derweil misstrauisch die Sprenkler über unseren Köpfen und rief (denn Unterhalten war nur noch lautstark möglich), ob wir uns an einen anderen Platz flüchten könnten, sollte auch noch die Löschanlage versehentlich aktiviert werden. Ein paar Gäste verließen nun doch hektisch das Lokal. Ich will niemandem Böses unterstellen, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie nicht die Gelegenheit nutzten, da alle Kellner in der Küche beschäftigt waren, um die Zeche zu prellen. 

Kurz darauf erschienen Polizei und Feuerwehr unter Jubel und Beifall der Gäste. Während die Polizisten nicht viel ausrichten konnten und sehnsüchtig zum Buffet schielten, bemühte sich ein Feuerwehrmann auf einer Leiter darum, einen Defekt an der Dunstabzugsanlage - der wohl die Ursache für das Alarmauslösen war - zu beheben. Seine Kollegen wurden derweil von Papas mit kleinen Kindern belagert, die ihre Helden endlich live in voller Feuerwehrmontur bestaunen konnten.

Der Feueralarm erlosch endlich - tosender Beifall und Johlen im ganzen Lokal. Zwei Sekunden später ging er wieder an. Enttäuschte Rufe allerseits. Das wiederholte sich dreimal! Als der letzte Applaus verklungen war, zählten alle im Lokal laut von zehn nach unten - aber zum Glück ging der Alarm nicht erneut wieder los. 

Ein paar Griesgrämer gab es natürlich auch, die den Kellnern wegen des Lärms bitterböse Blicke zuwarfen und vermutlich die Rechnung kürzen wollten, aber hey, ganz ehrlich, ich hatte schon lange nicht mehr bei einem Restaurantbesuch so viel gelacht!

Meine Tochter und ich haben jedenfalls die abenteuerlichsten Szenarien im Kopf ersponnen: Was wäre wenn dieser Abend das erste Date eines Paares gewesen wäre? Ein wichtiges Geschäftsessen?

Die Heimfahrt ab 21 Uhr verlief weniger witzig, das Schneechaos hatte sich nach Bayern verlagert, streckenweise war so viel Matsch auf der Autobahn, dass gar keine Spuren mehr erkennbar waren. Um 2:12 Uhr hatten wir es dennoch geschafft und wurden erst einmal von einem übermütigen Bärli empfangen, das sich vergeblich ein nächtliches Spielen im verschneiten Garten erhoffte. 

Dieser vollkommen planlose, chaotische, unperfekte Messebesuch wird mir auf jeden Fall immer in lieber, schöner Erinnerung bleiben!

Um es in den Worten eines jungen Autorenkollegen, Christopher Poindexter, zu sagen:

"Chaos is an angel who fell in love with a demon."

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